Was macht einen Wein lieblich?
Beim Wein ist »lieblich« ein Begriff, der oft mit Süße gleichgesetzt wird. Dieser Vergleich greift jedoch zu kurz. Damit ein Wein lieblich und wirklich gut schmeckt, bedarf es eines komplexen Zusammenspiels verschiedener Faktoren. Dabei spielt längst nicht nur der Zuckergehalt eine Rolle. Laut EU-Definition darf der Restzuckergehalt bei maximal 45 Gramm pro Liter liegen, wenn ein Wein als lieblich klassifiziert ist. Dieser Zucker ist von Natur aus in den Trauben vorhanden und verbleibt nach Abstoppen der Gärung als Restsüße im Wein.
Stell dir vor, du verkostest zwei Weine. Beide haben einen ähnlichen Zuckergehalt – sagen wir, um die 30 Gramm pro Liter. Aber der eine Wein erfrischt die Zunge, wirkt lebendig und strukturiert, während der andere schwer und klebrig erscheint. Was macht den Unterschied aus? Das Verhältnis von Zucker zu Säure! Letztere ist der Gegenspieler der Süße und verantwortlich für Frische und Lebendigkeit im Wein. Ein Wein mit einem höheren Säuregehalt schmeckt oft weniger süß, auch wenn er mehr Zucker enthält als ein anderer mit wenig ausgleichender Säure. Und: Ein niedriger Säuregehalt lässt den Wein schwerer wirken. Die folgende Tabelle versteht sich als Schlüssel zum Verständnis der Geschmacksrichtungen:
Bezeichnung |
Restzuckergehalt |
Geschmackseindruck |
Trocken |
Bis 4 Gramm pro Liter (oder bis 9 g/l, wenn die Gesamtsäure max. 2 g/l darunter liegt) |
Herb, keine oder kaum wahrnehmbare Süße |
Halbtrocken |
4 bis 12 g/l (oder bis 18 g/l, wenn der Gesamtsäuregehalt max. 10 g/l darunter liegt) |
Leicht süßlich, der Eindruck von frischer Säure überwiegt meist |
Lieblich |
12-bis 45 g/l |
Süß, mit angenehm ausgleichender Säure |
Süß/Edelsüß |
Mehr als 45 g/l |
Intensive Süße |
Doch wie kommt der Zucker überhaupt in den Wein? Winzer
können auf verschiedene
Methoden zurückgreifen, um einen Wein lieblich auszubauen:
- Kabinett lieblich: Die Trauben erreichen durch den natürlichen Reifeprozess einen bestimmten Zuckergehalt, bei dem sie gelesen werden.
- Spätlese: Die Trauben werden bewusst lange am Rebstock gelassen, um ihren Zuckergehalt zu erhöhen.
- Süßreserve: Ein Teil des Mostes wird vor der Gärung entnommen und später dem Wein wieder zugesetzt, um ihm Süße zu verleihen.
- Appassimento: Bei dieser traditionellen Methode werden die Trauben vor dem Pressen getrocknet, wodurch ihr Zuckergehalt konzentriert wird.
Schon diese wenigen Beispiele lassen ahnen, auf welch vielfältige Weise Wein lieblich sein kann. Mit viel Fingerspitzengefühl erzeugen unsere Winzer Weine, deren Aromen von zarten Fruchtnoten bis zu facettenreichen Kompositionen mit Honig- und Gewürznoten reichen.
Unterschiede zwischen lieblichem Rot- und Weißwein
Auch wenn die Süße beiden gemein ist: Tatsächlich gibt es grundlegende, weit über die Farbe hinausgehende Unterschiede zwischen Weißwein und Rotwein, die als lieblich eingestuft sind.
Lieblicher Rotwein
Lieblicher Rotwein bezieht seine Farbe und einen Teil seiner Aromen aus den Schalen der roten Trauben. Diese Schalen bleiben während der Gärung in Kontakt mit dem Most, wobei Farbstoffe und Tannine extrahiert werden. Tannine sind Gerbstoffe, die dem Wein Struktur verleihen und im Mund ein leicht herbes oder »pelziges« Gefühl hinterlassen können. Daher haben liebliche Rotweine oft einen komplexeren Körper und eine kräftigere Struktur als Weißweine. Typisch sind Aromen dunkler Früchte wie Kirschen und Pflaumen, oft begleitet von würzigen Noten.
Lieblicher Weißwein
Lieblicher Weißwein wird aus hellen Trauben hergestellt, deren Schalen vor oder während der Gärung entfernt werden. Weißwein hat dementsprechend keine oder nur wenige Gerbstoffe. Das lässt ihn in der Regel frischer wirken. Aromatisch dominieren meistens helle Früchte wie Äpfel, Birnen und auch Zitrusfrüchte, oft ergänzt durch florale Noten oder Honig. Die Säure spielt bei lieblichen Weißweinen eine besonders wichtige Rolle, da sie die Süße ausbalanciert und für ein harmonisches Geschmackserlebnis sorgt.
Die bekanntesten Rebsorten für liebliche Weine
Ob Weiß oder Rot, ob fruchtig und frisch oder komplex und hocharomatisch: Für Wein, der lieblich schmecken soll, kommt eine ganze Reihe von Rebsorten infrage. Diese Vielfalt ist es, die uns ein so breites Spektrum an Geschmackserlebnissen ermöglicht. Wir stellen einige der bekanntesten vor:
Rebsorte |
Farbe |
Region(en) |
Typische Aromen |
Charakter/Verwendung |
Rot |
Italien (Venetien) |
Kirsche, Pflaume, Gewürze |
Verschnitt zum Amarone della Valpolicella |
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Rot |
Deutschland |
Brombeere, Sauerkirsche, Holunder |
Tiefdunkle Farbe, vollmundig, harmonisch |
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Weiß |
Deutschland, Frankreich, Italien |
Litschi, Rose, exotische Gewürze |
Energisches Aromenspiel, verführerische Süße |
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Weiß |
Deutschland, Frankreich, Italien |
Birne, gelber Apfel, Mandel |
Vielfältige Ausbaumöglichkeiten, oft Kupferton |
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Rot |
Italien |
Rote Beeren |
Spritzige Frische, leichte Perlage |
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Rot |
Weltweit |
Pflaume, Kirsche, schwarze Beere |
Samtig-weicher Charakter, unkompliziert |
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Weiß |
Deutschland, Italien, Spanien, Südafrika |
Muskattraube, Pfirsich, Orangenblüte |
Spritzige Süße, in Italien perlende Spezialität (Moscato d'Asti) |
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Weiß |
Deutschland |
Grüne Äpfel, Muskat, Zitrusfrüchte |
Aromatische Süße, Muskatnote |
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Rot |
Deutschland, Österreich |
Rote Früchte (Kirsche, Erdbeere) |
Leicht zugänglich |
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Rot |
Italien, Kalifornien |
Dunkle Beeren, Gewürze |
Intensiv fruchtig, kräftig |
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Weiß |
Deutschland, Österreich, Australien |
Mineralisch, exotische Früchte, Honig |
Reiche Aromenpalette, erfrischende Säure |
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Rot |
Deutschland, Frankreich |
Kirsche, Erdbeere, Gewürze |
Fruchtig, elegant |
Weinanbaugebiete für liebliche Weine weltweit
So viel zu den Rebsorten. Brechen wir nun auf zu einer kleinen virtuellen Reise um die Welt – dorthin, wo Wein lieblich und in Bestform ausgebaut wird. Erfahre mehr über die Anbaugebiete, in denen Winzer mit Leidenschaft und Sachverstand außergewöhnliche Geschmackserlebnisse kreieren.
Deutschland
- Mosel: Die legendären steilen Hänge und die Schieferböden links und rechts der Mosel bieten ideale Bedingungen für den Anbau von Riesling, der sich hier herrlich mineralisch entwickelt – etwa der Ürziger Würzgarten Riesling Kabinett vom Weingut Dr. Loosen.
- Pfalz: Als zweitgrößtes Weinanbaugebiet Deutschlands punktet die Pfalz mit einer großen Vielfalt an Rebsorten. Darunter finden sich natürlich auch solche, aus denen sich herrlicher Qualitätswein lieblich produzieren lässt.
- Rheingau: Der Rheingau ist eines der ältesten klar abgegrenzten Weinanbaugebiete der Welt. Dass du hier besonders guten Riesling-Wein – lieblich ebenso wie trocken oder halbtrocken – bekommst, verdankt sich der Lage: Die Weinberge bekommen viel Sonne und sind vor kaltem Wind geschützt.
- Baden: Das im deutschlandweiten Vergleich wärmere Klima in Baden begünstigt den Anbau von Spätburgunder, der hier eine ausgeprägte fruchtige Süße entwickelt.
Italien
- Venetien: In Venetien wird der Amarone della Valpolicella nach der Appassimento-Methode hergestellt, bei der die Trauben vor dem Pressen getrocknet werden. Diesen außergewöhnlichen Wein – lieblich und gehaltvoll wie der Amarone von Alberto Zenato – solltest du dir auf keinen Fall entgehen lassen.
- Emilia-Romagna: Die Trauben für den Lambrusco gedeihen in der fruchtbaren, von sanften Hügeln durchzogenen Po-Ebene im Norden der Region. Lambrusco Dolce ist ein leicht perlender, fruchtig-süßer Wein, lieblich oder feinherb, mit erfrischender Säure.
- Apulien: In Apulien wird der Primitivo mitunter mit der Appassimento-Methode produziert. So entsteht ein Wein, der lieblich, fruchtig und vollmundig die sonnenverwöhnte Lebensart Süditaliens widerspiegelt.
Übersee und Afrika
- South Australia (Australien): Das warme Klima im Süden des Kontinents ist ideal für den Anbau von Riesling und Muscat, die hier süße, fruchtige Weine mit intensiven Aromen hervorbringen.
- Swartland (Südafrika): Swartland zeichnet sich durch eine Vielfalt an Weinstilen aus. Vor allem Rebsorten wie Muscat und Chenin Blanc werden hier zu Weinen gekeltert, die lieblich, feinherb oder halbtrocken überzeugen.
- Washington (USA): Die kühlen Klimazonen in Washington begünstigen den Anbau von Riesling und Gewürztraminer. »Semi-sweet" ist hier ein beliebter Stil für komplex strukturierten Wein, der bei uns »lieblich« genannt wird.
Genussmomente: Wann und wie sollte man liebliche Weine trinken?
Liebliche Weine haben ihren Ruf als reine Dessertbegleiter längst abgelegt. Ihre enorme Vielfalt macht sie zu spannenden Partnern für ganz unterschiedliche Gelegenheiten – man muss nur wissen, wie man sie richtig einsetzt. Ein paar Anregungen zur Inspiration:
- Als Aperitif: Ein Glas gut gekühlter Wein (lieblich – und deswegen nicht zu süß), öffnet den Gaumen und stimmt auf das Essen ein.
- Zu scharfen Speisen: Die Süße im Wein kann die Schärfe von würzigen Gerichten mildern und so ein ausbalanciertes Geschmackserlebnis schaffen.
- Zu Desserts und Süßspeisen: Gut zu Obstkuchen passt Wein, wenn er lieblich und fruchtig schmeckt. Dagegen machen sich vollmundige Varianten toll als Ergänzung zu Cremes und Schokoladendesserts.
- Zu Käse: Besonders würzige oder salzige Käsesorten bilden einen spannenden Kontrast zu lieblichen Weinen. Probiere zum Beispiel einen kräftigen Blauschimmelkäse zu einem Süßwein mit Edelfruchtnoten.
Last but not least kann ein Wein, der lieblich schmeckt, auch als Solist Genuss bringen. Zum Beispiel an einem entspannten Abend auf der Terrasse oder als süßer Abschluss eines gelungenen Essens.
Ein paar Worte zur Serviertemperatur: Wein, der lieblich ausgebaut ist, sollte in der Regel gut gekühlt serviert werden. Eine Trinktemperatur zwischen 8 und 12 Grad Celsius bringt Frische und Säure optimal zur Geltung. Allerdings gibt es Ausnahmen: Kräftige, liebliche Rotweine wie Primitivo oder Süßweine mit Rosinencharakter wie ein Amarone entfalten ihre komplexen Aromen am besten bei einer Temperatur zwischen 16 und 18 Grad Celsius.
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